Der Säch­si­sche Fran­sen-Enzian 2022

Beson­ders die letzte För­der­pe­ri­ode von 2017–2022, die von 4 Dür­re­jah­ren geprägt wurde, machte deut­lich, wie sich Kli­ma­fak­to­ren und Wit­te­rung vor allem auf die Kei­mung und die Pflan­zen­ent­wick­lung aus­wir­ken. In der ex situ-Kul­tur konn­ten direkte Aus­fälle durch den erhöh­ten Pfle­ge­auf­wand (Gie­ßen, Schat­tie­ren etc.) abge­wen­det werden.
Deut­lich wurde das 2022 an den blü­hen­den Indi­vi­duen in Schel­ler­hau, die z.T. nur nied­rig blie­ben und im Schnitt nur 2–3 Blü­ten aus­bil­de­ten. Ganz extrem zeigt sich der Ein­fluss der Kli­ma­fak­to­ren im Ver­gleich der „aus Stroh aus­ge­fal­le­nen Indi­vi­duen“. In den Jah­ren zuvor waren das sehr kräf­tige Keim­pflan­zen, die sich im 2. Jahr zu reich blü­hende Indi­vi­duen ent­wi­ckel­ten. In die­sem Jahr dage­gen ent­wi­ckel­ten sich nur Minipflan­zen, die maxi­mal 3 Blü­ten bildeten.
25 Ex. á 0,5−1,0 cm mit je 1 Blüte, 13 Ex. á 1–2 cm mit je 1 Blüte, 11 Ex. á 2–4 cm mit je 1 Blüte, 3 Ex. á 4–6 cm mit je 1 Blüte, 2 Ex. á 4 cm mit je 3 Blü­ten und 1 Ex. á 2 cm mit 2 Blüten.
Diese Indi­vi­duen waren 2021 als Keim­linge so klein, dass sie nicht ein­deu­tig als Enziane bestimmt und auch nicht mehr pikiert wer­den konn­ten. Hier in Schel­ler­hau kann der Win­ter sehr zei­tig kom­men. Ein spä­tes Pikie­ren birgt daher ein gro­ßes Risiko, dass die Indi­vi­duen nicht mehr ein­wur­zeln und eingehen.

Ein­jäh­rige Individuen
Die­ses Pro­blem bestand auch in die­sem Jahr. Die Kei­mung erfolgte sehr spät erst im Juni/​Juli und es konnte lange nicht mit Bestimmt­heit gesagt wer­den, ob es wirk­lich Enzian-Keim­linge sind. Um das Aus­fall­ri­siko durch zu spä­tes Pikie­ren zu mini­mie­ren, wur­den die Keim­linge auch in die­ser Vege­ta­ti­ons­pe­ri­ode nicht pikiert. Es ist aber davon aus­zu­ge­hen, dass sich diese Indi­vi­duen im nächs­ten Jahr auch nicht zu gro­ßen Exem­pla­ren ent­wi­ckeln werden.
Die 1‑jährigen Pflan­zen 2022 sind sehr klein geblie­ben. Ver­gleicht man die Län­gen des längs­ten Blat­tes sind die Indi­vi­duen aus die­sem Jahr die Kleins­ten wäh­rend des gesam­ten Förderzeitraums. 

Mehr­jäh­rige Indi­vi­duen ohne Sproßachse
Wie bereits 2021 beschrie­ben wurde, konn­ten Abwei­chun­gen in der 2‑jährigen Ent­wick­lung des Klei­nenzi­ans beob­ach­tet werden.
Gene­rell blie­ben die Aus­saat­töpfe so lange wie mög­lich im Schne­cken­beet ste­hen, um dor­man­ten Dia­spo­ren eine Chance zum Kei­men zu geben. Diese Dia­spo­ren aus unter­schied­li­chen Jah­ren keim­ten über­wie­gend erst 2019 und diese Keim­linge wur­den 2019 ent­spre­chend pikiert. Im Fol­ge­jahr 2020 ent­wi­ckel­ten sie sich aber nicht zu blü­hen­den 2‑jährigen Pflan­zen. Sie blie­ben im 4–6 Blatt­sta­dium ste­cken und wur­den noch­mal in fri­sches Sub­strat gesetzt. Aber auch 2021 und 2022 bil­de­ten sie keine Sproß­achse und folg­lich auch keine Blüten.
2019, als die Pflan­zen keim­ten, war das zweite tro­ckene Jahr, 2020 das zweit­wärmste seit Beginn der Wet­ter­auf­zeich­nun­gen im Jahr 1881 – nur das Extrem­jahr 2018 war noch wär­mer (Deut­sche Wet­ter­dienst DWD). Zudem war 2020 wie schon die Vor­jahre zu tro­cken und deut­lich son­ni­ger als nor­mal. Auch 2021 war es im Frühsommer/​Sommer sehr warm. Dar­auf folg­ten im Sep­tem­ber viele Regentage.
Viel­leicht haben diese Kli­ma­fak­to­ren das „nor­male“ Pflan­zen­wachs­tum beein­flusst. Es wurde nur Kraft in das Grö­ßen­wachs­tum der Blät­ter gesteckt. 

Samen­an­satz und Rei­fung der Diasporen
Die Kli­ma­werte der ver­gan­ge­nen Jahre haben auch Aus­wir­kun­gen auf die Samen­bil­dung und –rei­fung. Am 7. Okto­ber 2022 wurde der erste Samen geern­tet. Viele Blü­ten sind aber ein­fach abge­knickt und es sind keine Samen­kap­seln gebil­det wor­den. Es fehlte offen­sicht­lich die Kraft, den schwe­ren Blü­ten­an­satz zu hal­ten. Die hohe Luft­feuch­tig­keit und nied­rige Tem­pe­ra­tu­ren waren die Ursa­che für Ver­pil­zun­gen an den Blü­ten­stän­den. Der Ein­satz von Pflan­zen­schutz­mit­tel war nicht erfolg­reich. Daher wer­den in die­sem Jahr nur sehr wenige Dia­spo­ren geern­tet werden. 

Trotz aller Pro­bleme wurde die ex situ-Kul­tur erfolg­reich über zehn Jahre auf­ge­baut und geführt. Aller­dings gibt es wie auch beim Kar­pa­ten-Enzian starke Schwan­kun­gen bei der Samen­an­zahl zwi­schen den gera­den und unge­ra­den Jah­ren. In den unge­ra­den Jah­ren gab es 2013, 2015, 2017 und 2019 beson­ders rei­che Ern­ten. Aus­nahme ist das Jahr 2020, in dem mit ca. 96.000 Korn (durch Wie­gen ermit­telt) die größte Menge geern­tet wurde.
Der Ein­fluss von Tem­pe­ra­tu­ren, Nie­der­schlä­gen, Zeit­punkt von Frös­ten usw. spie­len einen gro­ßen Ein­fluss. 2018 war der erste sehr heiße Som­mer. Trotz eines ange­pass­ten Gieß­ma­nage­ments bedeu­te­ten die hohen Tem­pe­ra­tu­ren über 30 °C extre­men Stress für die Pflan­zen, beson­ders in der Zeit des Blü­ten­an­sat­zes. Gen­ti­a­nella ger­ma­nica subsp. saxo­nica fängt erst immer Ende August, meis­tens erst im Sep­tem­ber an zu blü­hen. Viel­leicht sind durch die hohen Tem­pe­ra­tu­ren auch die Bestäu­ber nicht geflogen.
Da im Bota­ni­schen Gar­ten immer das geern­tete Saat­gut im Herbst aus­ge­sät wird, haben sich die drei heiß-tro­cke­nen Jahre, Tro­cken- und Hit­zestress, viel­leicht im Erb­gut mani­fes­tiert, sodass es dann 2021 eine deut­lich gerin­gere Ernte gab. 2022 wird es eine noch gerin­gere Korn­zahl geben. 

Manage­ment auf den in situ-Flächen
Die geern­te­ten Dia­spo­ren wur­den bis auf 500 Korn (Aus­saat im Bota­ni­schen Gar­ten) jähr­lich im Herbst auf den aus­ge­wähl­ten Wie­sen im Vogt­land aus­ge­sät. Hier betreut seit 2017 Wolf­gang Rie­t­her („Büro lebens­raum erz­ge­birge“ im Auf­trag des Ver­eins „Pro Natur Sach­sen e. V.“) die in situ-Kul­tu­ren. Gemein­sam wur­den die Aus­saat­flä­chen vor­be­rei­tet, die Dia­spo­ren por­tio­niert aus­ge­sät und die Arbeit doku­men­tiert. Im Som­mer wur­den die Keim­linge gesucht und gezählt. Eben­falls wur­den auf den Flä­chen nach 2‑jährigen Indi­vi­duen geschaut.
2020 zählte Wolf­gang Rie­t­her auf der Pfarr­wiese 83 blü­hende Indi­vi­duen. Ein gro­ßer Erfolg, denn nach acht Jah­ren blühte erst­mals wie­der Gen­ti­a­nella ger­ma­nica subsp. saxo­nica am ursprüng­li­chen Standort.
Auch 2021 gab es blü­hende Exem­plare auf der Flä­che im NSG Weidenteich.
2021 zähl­ten wir 214 Keim­linge auf der Wiese Flur Lan­gen­bach bei Mühl­troff. Sie sind ver­mut­lich ver­fault, weil das Gras sich sehr hoch und mastig ent­wi­ckelte und die Keim­linge zu wenig Sonne hat­ten. Hier stimmte der Mäh­zeit­punkt nicht mit den Ansprü­chen der Keim­linge über­ein. Die hohe Mor­ta­li­tät der Keim­linge zeigt, dass beson­ders im ers­ten Jahr die Stand­ort­be­stim­mun­gen, Kli­ma­da­ten und Mäh­ma­nage­ment stim­men müs­sen. Daher gab es hier keine blü­hen­den Indi­vi­duen 2022.

Gen­ti­a­nella-Aus­saat­s­i­tua­tion 2022
Auf Grund der Erfah­run­gen aus den ver­gan­ge­nen Jah­ren wur­den die Aus­saat­flä­chen bereits Ende Juni gemäht und beräumt. Damit wird dem Ver­fau­len der Keim­pflan­zen vor­ge­beugt und die bereits im Vor­jahr gekeim­ten Pflan­zen kön­nen in der ein­ge­kürz­ten Vege­ta­ti­ons­schicht Blü­ten­stän­gel aus­prä­gen. Bedingt durch die lang­an­hal­tende Hitze-/Tro­cken­pe­ri­ode im Som­mer 2022 kamen keine Samen zum Kei­men. Inwie­weit die im Boden vor­han­de­nen Dia­spo­ren in den Fol­ge­jahre zur Kei­mung kom­men, kann nicht abge­schätzt wer­den. Der Ober­bo­den wurde soweit aus­ge­trock­net, dass es zu bis 30 cm tie­fen Erd­ris­sen kam. Dies betraf vor allem die vege­ta­ti­ons­freien Boden­stel­len. Die Vege­ta­tion auf den bedeck­ten Boden­stel­len war wüch­sig aus­ge­bil­det, aber wich­tige Zei­ger­ar­ten für Gen­ti­a­nella ger­ma­nica subsp. saxo­nica-Stand­orte wie Sumpf-Herz­blatt (Parn­as­sia palus­tris), Floh-Segge (Carex puli­ca­ris) fie­len dage­gen aus. Die feh­lende Kei­mung bzw. Ent­wick­lung von Gen­ti­a­nella ger­ma­nica subsp. saxo­nica im Jahr 2022 ist ein­deu­tig auf die Tro­cken­heit zurückzuführen.