2021 war im Vergleich zu den vergangenen drei sehr trockenen Jahren hinsichtlich der Temperaturen normal und sehr feucht. Der Schnee blieb bis in die dritte Aprilwoche liegen. Mitte Mai trieben dann die 2‑jährigen Individuen. Frostschäden gab es vor allem bei den zweijährigen Individuen aus Stroh 2019 (42 von 85 Pflanzen). 10 Exemplare von 71 aus der Ernte 2019 erfroren. Erstaunlicherweise gab es keine Frostschäden bei den Individuen aus der Ernte 2018, die 2 Jahre bis zur Keimung auf der Erde lagen.
Insgesamt entwickelten sich alle 2‑jährigen Pflanzen gut. Durch hohe Luftfeuchtigkeit, viele Nebeltage und Regen kam es trotz der Abdeckung während der Vegetationsperiode, vor allem aber im September, zu Pilzbefall und Umknicken einiger Pflanzen. Gegen die Pilzbildung wurde COMPO Ortiva Spezial Pilzfrei gespritzt. Töpfe mit eingegangenen Pflanzen wurden aus dem Beet genommen. Gegen Raupen in den Samenkapseln erfolgte während der Blütezeit eine regelmäßige Spritzung mit Spruzid AF von Neudorff.
Die ersten Blüten öffneten sich am 12.09.2021 (2. Septemberwochenende). Das ist eine Woche später als 2019 und zwei Wochen später als 2020. Insgesamt wurden am 4.10.2021 1.359 Blüten gezählt. Die Ernte begann am 4.10.2021, 2020 einen Tag eher.
Im vergangenen Jahr wurden ca. 96.000 Korn von 2.468 Blüten geerntet. Das sind ca. 38 Korn/Samenkapsel. 2021 zählen wir ca. 1.100 Blüten weniger als 2020. Daher können wir mit ca. 50.000−55.000 Diasporen der Ernte 2021 rechnen. Das sind durchschnittlich 37 Korn/Samenkapsel.
Mehrjährige Individuen ohne Sproßachse
In früheren Jahren wurde mit eingelagertem Saatgut experimentiert. Außerdem bleiben die Aussaattöpfe generell so lange wie möglich im Schneckenbeet stehen, um dormanten Diasporen eine Chance zum Keimen zu geben. Diese Aussaaten keimten überwiegend erst 2019 und diese Keimlinge wurden 2019 entsprechend pikiert. Im Folgejahr 2020 entwickelten sie sich aber nicht zu blühenden 2‑jährigen Pflanzen. Sie blieben im 4–6 Blattstadium stecken. In diesem Jahr wurden sie nochmal in neue Erde gesetzt.
2019, als die Pflanzen keimten, war das zweite trockene Jahr, 2020 das zweitwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 – nur das Extremjahr 2018 war noch wärmer (Deutsche Wetterdienst DWD). Zudem war 2020 wie schon die Vorjahre zu trocken und deutlich sonniger als normal. Vielleicht haben diese Klimafaktoren das „normale“ Pflanzenwachstum beeinflusst. Es wurde nur Kraft in das Größenwachstum der Blätter gesteckt. 2021 bildeten diese Individuen immer noch keine Stängel und Blüten.
In der Literatur werden solche Pflanzen als Hungerexemplare bezeichnet. Das ist aber kein guter, zutreffender Begriff, denn sie haben wie andere Individuen auch das gleiche Substrat und die gleichen Kulturbedingungen. Auch auf den in situ-Flächen hat Wolfgang Riether solche Exemplare beobachtet. Hier standen sie neben großen, normal entwickelten 2‑jährigen Individuen. Es muss also andere Ursachen geben. Um eine eindeutige Abgrenzung gegenüber den Individuen mit normaler Entwicklung (Zweijährigkeit) zu haben, wurden sie als „mehrjährige Individuen ohne Sproßachse“ bezeichnet.
500 Korn werden im Botanischen Garten Schellerhau Ende Oktober wieder in 10er Tontöpfe zu je 7 Korn ausgesät. Je nach Ernte werden für die Aussaaten im BG Schellerhau als Reserve 500 Korn und für die in situ-Flächen mehrere Tausend Korn eingelagert. 2020 eingelagertes Saatgut wird auf den in situ-Flächen ausgesät.
Die Keimlinge aus der Aussaat 2020 sind extrem schlecht aufgelaufen und sie blieben so klein, dass sie nicht pikiert wurden. Aus Stroh 2019 gibt es 31 Individuen, die in diesem Jahr keimten. Die Diasporen waren also ein Jahr dormant. Die Individuen sind gut und ähnlich groß entwickelt. In diesem Jahr keimten in den Aussaattöpfen von 2019 nochmal 53 Keimlinge, die pikiert wurden.
Damit wurden alle Kriterien für eine erfolgreiche Fortführung des Projektes erfüllt, das im Rahmen der Richtlinie Natürliches Erbe RL NE/2014 im Zeitraum vom 01.10.2017–31.10.2022 gefördert wird.
Erfolg auf den in situ-Flächen im Vogtland
Am 7. Juli kontrollierten Wolfgang Riether (Büro lebensraum erzgebirge, Beauftragter des Vereins „Pro Natur Sachsen e. V.“) die in situ-Flächen. Auch wenn auf der Pfarrwiese im hohen Gras keine blühenden Individuen zu sehen waren, sind sie aber nicht auszuschließen. Die z.T. kleineren 2‑jährigen Individuen können in dem dichten und hohen Gras völlig untergegangen sein. Um sie nicht zu zertreten, wurde nur vom Rand „abgesucht“. Da im vergangenen Jahr Keimlinge gefunden wurden, sind blühende Exemplare zu erwarten gewesen.
Im nahen Umfeld der Pfarrwiese waren im Herbst 2020 einzelne Pfähle eingeschlagen worden. Um diese wurde im Umkreis von ca. 50 cm Durchmesser ausgesät. Die Diasporen stammen aus der Ernte 2020 und aus den Einlagerungen. Damit ist eine gezieltere Kontrolle möglich und durch die Verteilung der Pfähle über ausgewählte Flächen kann eine größere Verbreitung der Art erreicht werden. Auf diesen Einzelflächen konnten z. T. Keimlinge vermutet werden. Im kleinen 4‑Blatt-Stadium kann die Art jedoch noch nicht eindeutig bestimmt werden.
Laut historischen Angaben gab es früher auf einer neuen Wiese, Flur Langenbach bei Mühltroff, direkt an der Landesgrenze zu Thüringen gelegen, Vorkommen des Kleinenzians.
Die neue Versuchsfläche ist 5x5m groß und im Meterraster eingemessen. In der Mitte von 8 Quadraten wurden in Bodenvertiefungen insgesamt 214 Keimlinge gezählt. Die Fundstellen wurden mit Stäben markiert.
Ein allerdings sehr zerfressenes, aber blühendes Exemplar wurde uf der Fläche NSG Weidenteich kartiert.
Damit blühte im 2. Jahr in Folge wieder Gentianella germanica subsp. saxonica im Dreiländereck.
Am Arbeitstreffen im Oktober/November wird auch Sebastian Unger, Reviergärtner im Leipziger Botanischen Garten, teilnehmen. Er muss im Rahmen einer Weiterbildung über den Verband Botanische Gärten zu Erhaltungskulturen praktische Arbeiten in anderen botanischen Gärten oder vergleichbaren Einrichtungen, die sich mit Erhaltungskulturen und Wiederansiedlungsprojekten beschäftigen, nachweisen. Am 4./5.10.2021 hospitierte er in Schellerhau und lernte die hortikulturellen Maßnahmen bei den ex situ-Kulturen Gentianella lutescens und Gentianella germanica subsp. saxonica kennen.